Sinne, Natur und Gestaltung


Mit allen Sinnen unterwegs in der Natur
Von der Kunst des Verweilens


Die meisten Menschen sind es gewohnt, vorwärts zu gehen, möglichst schnell an ein Ziel zu gelangen. Der Erfolg und die daraus resultierte Befriedigung liegen in der Leistung und der gewonnenen Zeit. Dies trifft im Berufsleben sowie oft auch in der Freizeit zu. Man misst sich mit bestiegenen Bergspitzen und Distanzen, die in möglichst kleinen Zeitspannen erreicht wurden. Diese Erfahrung kann wertvoll sein, ist jedoch für ein ganzheitliches Erleben der Natur weniger tauglich.
Unsere Sinne haben enorme Fähigkeiten, die oft brachliegen, da wir ihre Leistungen nur zum Teil nutzen. Die Natur stellt uns einen riesigen Reichtum zur Verfügung, den wir mit all unseren Sinnen erforschen können. Was wir jedoch brauchen ist der Wille, das Bedürfnis oder die Lust, sich einzulassen, achtsam unterwegs zu sein, immer wieder inne zu halten, um der Natur Schritt für Schritt neu und mit allen Sinnen zu begegnen.

Der Anthropologe Thomas Marti schrieb in einem Aufsatz „Durch die Sinne zum Sinn“
Nach Sinn gibt es nachweisbar auch Sehnsucht oder Hunger. Sinn hat mit echten Aufgaben zu tun. Dadurch vermag sich der einzelne individuelle Mensch als ein geistiges Wesen in der Welt wiederzufinden. Sinnsuche heißt sich selber suchen, sich im Weltgefüge orten zu können, sich als Individualität in Bezug zur Welt bestimmt vorfinden. Dies bedeutet aber auch dem Du in der Welt begegnen. Erst in der Weltbegegnung ist ein Bewusstsein seiner selbst möglich. Sinn ist immer mit einer Frage verbunden, die ich gleichermaßen an mich selbst wie an die Welt stelle: Wer bin ich, woher komme ich, wohin führt mein Weg? Was ist mir überhaupt wichtig? -Sinnsuche hat mit Gestalten und Werden zu tun und ist der Wortbedeutung nach „der geistig zu gehende Weg“.
Was ist nötig, um diesen Weg überhaupt gehen zu können, Sinn zu finden? - Das Gehen selbst! Was für das Essen gilt, dass es nämlich den Appetit weckt, hat auch hier seine Gültigkeit: In der hingebenden Beschäftigung mit etwas kann Interesse erwachen und kann sich Begeisterung entzünden, die ihrerseits die Kraft ist, welche weiter trägt. Die Schlüsselkompetenz dazu allerdings liegt in der Fähigkeit zur Hingabe, zum Eintauchenkönnen, in der Beziehungsfähigkeit ganz allgemein, und diese wiederum basiert auf der Wahrnehmungsfähigkeit! In der Fähigkeit etwas gewahr zu werden, sich beeindrucken zu lassen, wach, aufmerksam, empfindsam und ergreifbar sein zu können. In dieser Fähigkeit liegt quasi der Schlüssel auf der Suche nach Sinn. Sinnfindung ist verbunden mit dem Erkennen von Zusammenhängen und der Beantwortung der Frage: Was geht mich dies oder jenes überhaupt an? Was habe ich damit zu schaffen?


Sinn und Energie

Schalten wir all unsere Sinne aus, würden wir in kurzer Zeit qualvoll zugrunde gehen, wie Hugo Kükelhaus in einem Experiment beschreibt. Also sind die Sinne die „Antennen“ die uns mit der Welt um uns verbinden.
Alles, was wir mit unseren Sinnen erfahren, sind Formen von Energien, die zueinander in einem Beziehungsfeld stehen, sich ergänzen, aufeinander wirken. Diese Energien steuern und beeinflussen unsere Befindlichkeit, unsere Gefühle und unser Leben. In der Natur finden wir in den Elementen die Grundlagen für das Leben überhaupt. Gehen wir bewusst mit diesen Energien um, erkennen wir, dass wir in die gleichen Gesetzmäßigkeiten eingebunden sind, dass wir nicht nur physisch sondern auch psychisch in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Natur stehen. Lernen wir diese Verbindung herzustellen, wird es uns gelingen, in der Natur uns selbst zu erkennen, Anregungen und Lösungen für das eigene Leben, für den individuellen Weg zu finden. Wir gehen eine Verbindung ein, die dem Leben eine sinnvolle und heilende Wirkung verspricht. In einer Welt, die von rasanten Veränderungen geprägt ist, erleben wir in der Natur die Stabilität eines klaren Rhythmus, an dem wir uns orientieren können.


Wildnis

In der Stille und Einsamkeit der Natur spüren viele Menschen ein Gefühl intensiver Zugehörigkeit, eine geheimnisvolle Sehnsucht nach einer Wildnis, die uns mit unseren Wurzeln verbindet.
Und doch prägen Kultur und Zivilisation unseren Umgang mit Wildnis. Wir können sie bedrohlich finden oder schön. Um Wildnis aber in der Natur zu akzeptieren, müssen wir sie erst in unseren Köpfen zulassen.
Die Welt - wie wir sie wahrnehmen - ist Spiegelbild unserer Gedanken.
Wir können die Kräfte und Erscheinungen der Natur nur über unsere Sinne empfinden.
Unser Gehirn sorgt dafür, dass wir diese Empfindungen auch bewusst wahrnehmen, gedanklich verarbeiten und mit Bedeutung versehen.
Und es kommt immer auf die persönlichen Erfahrungen und Wertvorstellungen an, welche Wirklichkeit uns bewusst wird.


Beziehung schafft Vertrauen

Wer kennt nicht bestimmte Orte oder Plätze, zu denen er eine besondere Beziehung hat. Sie sind verbunden mit Erlebnissen, Erfahrungen, Eindrücken. Je öfter ich so einen Platz aufsuche, desto stärker und intensiver wird die Beziehung zu ihm. Je bewusster ich die Energie eines Platzes wahrnehme, desto klarer sehe ich die Verbindung zur eigenen Befindlichkeit oder Thematik, desto mehr fühle ich mich zu Hause, fühle ich „Heimat“. Heimat ist also in dem Sinne nicht an ein bestimmtes Land gebunden, „Heimat“ ist dort, wo das Innere mit dem Äußeren im Einklang steht, wo ich von einer Kraft berührt werde, die mir vertraut ist, die mich in ein Gleichgewicht bringt. Einmal ist es ein Bergbach, ein Fluss, ein Waldsee, die Unendlichkeit des Meeres, eine Moorlandschaft oder eine Sandwüste. Dann wieder der Gipfel eines Berges, eine tiefe Schlucht, ein Wald, eine Höhle, oder die Weite einer offenen Landschaft. Es gibt so viele Orte, wie es Seelenlandschaften gibt.
Nehmen wir mit all unseren Sinnen den Charakter eines Ortes auf, schaffen wir ein zusätzliches Energiefeld, das uns den Moment erfahren lässt, das unsere Erlebnisfähigkeit steigert, die Beziehungsarbeit verstärkt. Als Säugling und Kleinkind brauchten wir all unsere Sinne, um die Mitwelt zu erfahren, zu bestimmten Erkenntnissen zu kommen, zu begreifen, Vertrauen zu gewinnen. Wer diese Erfahrungen nicht machen kann, bleibt in der Entwicklung beeinträchtigt. Mit unserem Bewusstsein, dem gespeicherten Wissen laufen wir Gefahr, unsere Sinne zu vernachlässigen. Wir schauen weniger hin, riechen, schmecken, tasten, nicht mehr. Wir lassen uns nicht mehr berühren, haben Mühe mit dem Gleichgewicht und verlieren schlussendlich den Kontakt zu den Wurzeln, aus denen wir gewachsen sind. Wir lernen immer mehr über die verschiedensten Medien, haben immer weniger Kontakt zu den direkten Erfahrungen. Wir glauben, dass das Wissen allein genügt, um uns im Leben zurechtzufinden. Tatsache ist jedoch, dass mit dem Wissen allein die Seele „zu verhungern“ droht, dass wir mehr brauchen, um ganzheitlich im Leben zu stehen. Immer wieder brauchen wir die elementaren Erfahrungen, um uns zu orientieren und zu spüren, wer wir überhaupt sind. Die direkte Erfahrung in der Natur löst in uns Gefühle, und Gefühle sind es, die unsere Befindlichkeit steuern. Die Befindlichkeit ist es, die die Qualität eines Tages ausmacht, die Lust auf das Morgen erzeugt. Wir brauchen den ständigen Kontakt zur Natur mit all unseren Sinnen, um unserem Körper und der Seele das zu geben, was sie für ein gesundes, ausgeglichenes Dasein benötigt.
Die Beziehung zur Natur können wir jedoch nur fördern und weiterentwickeln, wenn wir uns ihr aussetzen, wenn wir uns dem stellen, was auf uns zukommt, wenn wir ihr nicht davoneilen und uns verstecken. Nur so erkennen wir im hellsten Licht des Tages und in der dunkelsten Finsternis der Nacht unseren Weg, lernen wir, Vertrauen zu finden in das, woraus wir uns in Millionen von Jahren entwickelt haben.


Natur als Lehrmeisterin

Schon als kleiner Schulbube habe ich gespürt, dass ich draußen in der Natur zufriedener war als in Gebäuden oder gar in Schulhäusern. Bücher haben mich meist erst interessiert, nachdem ich bestimmte Erfahrungen in der Natur gesammelt habe und etwas wissen wollte, das ich an Ort und Stelle nicht lernen konnte. Und noch heute erfahre ich die Natur immer noch als meine grösste Lehrmeisterin. In meiner Arbeit als Kunstschaffender ist die Sinnesarbeit in der Natur unumgänglich. Die Erfahrung des Materials mit allen Sinnen hat die gleiche Wichtigkeit wie das Ergebnis und das Installieren am richtigen Ort. Die Qualität einer Arbeit hängt nicht in erster Linie von der formalen Präsenz, sondern von der erfahrenen Dichte des Naturerlebens ab. Oft brauche ich Tage reiner Sinnesarbeit, um schlussendlich zur Gestaltung überzugehen. Habe ich die Verbindung zu meiner Umgebung hergestellt, wird alles zur Gestaltung. Jede alltägliche Handlung wie Holz suchen, Feuer machen, kochen, trockenes Gras für eine Schlafunterlage schneiden, reagieren auf die Wetterverhältnisse, beanspruchen meine Sinne. Ich werde von den Erfahrungen gestaltet und beeinflusst. Das Erleben gliedert sich schlussendlich in den Gestaltungsprozess ein.


Kurse

Wahrnehmen und Gestalten in der Natur

All meine Kursangebote gestalten sich aus dem zuvor beschriebenen Hintergrund heraus. Um wahrnehmen und gestalten zu können, braucht es keine sogenannten „künstlerische Fähigkeiten“. Die persönliche Anteilnahme in einer bestimmten Landschaft oder eines Ortes in Verbindung mit dem eigenen Leben, einer Situation oder eines Themas ist die Grundlage für prozessorientiertes oder spontanes Gestalten. Es geht in den Kursen nicht darum, „grosse“ Kunstwerke zu schaffen. Vielmehr brauchen wir Zeit, um wahrzunehmen, loszulassen, den Kopf abzuschalten, Verbindung zur Natur herzustellen, innere Ruhe zu finden, einfach da zu sein, den Augenblick zu erleben und all die Energien, die auf uns wirken zu spüren und uns mit ihnen vertraut zu machen. Das „Kunstwerk“ wird so zur Essenz des Erlebten. Das Erlebte oder Erfahrene wird zur heilenden Kraft, die nachhaltig in den Alltag einfliessen kann. Selbst wortlose Prozesse helfen uns, im Äusseren die innere Heimat wieder zu finden.
Gearbeitet wird üblich individuell.


Mein Angebot:

- Hilfestellung bei Themenwahl
- Anregungen zur Wahrnehmung
- Begleitung im Gestaltungsprozess
- Begleitung Gruppenaustausch
- Hilfestellung im persönlichen Prozess
- Begleitung Rituale